Der Klimawandel gefährdet die in den letzten Jahrzehnten erzielten Fortschritte in der Medizin. Er verschlimmert die Mangelernährung, schadet der psychischen Gesundheit, löst mehr Herz-Kreislauf-, Lungen- und Infektionskrankheiten aus und verursacht vorzeitige Todesfälle.
Im Rahmen ihres 2019 veröffentlichten Positionspapiers zur nachhaltigen Entwicklung des Gesundheitssystems engagiert sich die SAMW über unterschiedliche Kanäle, die Bevölkerung für die Beziehung zwischen Gesundheit und Umwelt zu sensibilisieren.
Nachhaltige Gesundheitsdienstleistungen
Der Klimawandel schadet zweifellos unserer Gesundheit, aber die Gesundheitsversorgung ist auch mitverantwortlich für den Umweltnotstand: 5 bis 8 % der CO2-Emissionen der Schweiz sind auf unser Gesundheitssystem zurückzuführen. Wie lässt sich die Gesundheitsversorgung so umgestalten, dass sie die planetaren Grenzen nicht überschreitet? Mögliche Antworten finden Sie im SAMW-Positionspapier «Umweltbewusste Gesundheitsversorgung in der Schweiz» (2022).
Das Dokument formuliert sieben Vorschläge zu drei übergeordneten Zielen:
- Reduktion der Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen,
- Anpassung der Behandlungspraxis,
- Verringerung der Emissionen und Verbesserung der Umwelteffizienz der Gesundheitseinrichtungen.
Mit diesem Positionspapier will die SAMW die vielfältigen Akteurinnen und Akteure im Gesundheitswesen, in Politik und Gesellschaft, Praxis und Management sensibilisieren. Es soll eine Orientierungshilfe bei der Erarbeitung konkreter und praxisnaher Massnahmen bieten, um den ökologischen Fussabdruck zu verringern. Mitentscheidend werden auch Aktivitäten in der Ausbildung der Gesundheitsfachleute im Bereich ökologischer Nachhaltigkeit sein, um die Ziele zu erreichen. Mehr Informationen und Einschätzungen von Fachpersonen finden Sie in der Medienmitteilung vom 28.06.2022.
Weitere Aktivitäten
Mit Blick auf die Gesundheitsförderung ist es unter bestimmten Bedingungen vorstellbar, «zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen», also einen Beitrag zum Erhalt der Umwelt zu leisten und gleichzeitig die Gesundheit zu verbessern. Dieser Zusammenhang wird in der Fachliteratur als «Co-Benefits» bezeichnet und im SAMW Bulletin 4/2020 von Prof. Nicolas Senn (Unisanté, Lausanne) beleuchtet.
Das Konzept der «Co-Benefits» wurde in der Revue Médicale Suisse mit eine umfassenden, interaktiven Literaturübersicht (f/e) vertieft. Die Analyse zeigt: Es braucht einen echten Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft, im Gesundheitssystem und in Bezug auf das Verständnis von Gesundheit. Die Literaturübersicht konkretisiert einige für diese Überlegungen wichtige Faktoren anhand der drei Themen Ernährung, aktive Mobilität und Kontakt mit der Natur. Studien belegen, dass in diesen Bereichen mit gewissen strukturellen Umgestaltungen und individuellen Verhaltensänderungen die Umweltbelastungen verringert und gleichzeitig direkte Co-Benefits für die Gesundheit erzielt werden können. Die Verfasser/-innen kommen zum Schluss, dass die Berücksichtigung von Umweltperspektiven in der klinischen Praxis zwar für einige eine Selbstverständlichkeit sein mag, dass insgesamt aber ein Überdenken der Begriffe Gesundheit, Krankheit und der daraus abgeleiteten Gesundheitsdienstleistungen notwendig ist.
Um auch in der Deutschschweiz ein breites Publikum zu erreichen, wurde eine Zusammenfassung der Literaturübersicht in der Schweizerischen Ärztezeitung (SÄZ) veröffentlicht (d/f): SÄZ-Artikel online lesen
Akademien Schweiz
Das Forum Biodiversität Schweiz der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) hat 2020 ein Factsheet herausgegeben. Dieses zeigt, dass der Kontakt mit der Natur zur Aufrechterhaltung der Gesundheit beitragen kann, und betont das weitgehend ungenutzte präventive und therapeutische Potenzial der Biodiversität.
Auf Einladung der beiden Kammern diskutierte das Parlament im Mai 2022 mit Forschenden die Herausforderungen der Klima- und Biodiversitätskrise.
Internationales
Gesundheit und Klima
Die Zeitschrift Lancet veröffentlicht seit 2016 einen jährlichen Bericht zum Thema Gesundheit und Klima: Der sogenannte «Lancet Countdown» evaluiert, wie sich die Regierungen an ihre im Rahmen des Pariser Abkommens übernommenen Verpflichtungen halten. Er bietet eine Reihe von Indikatoren und weltweite Statistiken zu den Ereignissen des Vorjahres.
One Health
Mit Unterstützung der Gebert Rüf Stiftung hat der Schweizer Klub für Wissenschaftsjournalismus das Multimedia-Projekt «One Health» mitfinanziert. Die aufwändige Web-Reportage begleitet den «One Health»-Pionier Jakob Zinsstag auf eine Reise zu den Ursachen für die Covid-19-Pandemie. Das Projekt wurde 2022 mit dem «Prix Média» der Akademien der Wissenschaften Schweiz ausgezeichnet.
One Health Governance in the European Union
Im Jahr 2024 hat die Group of Chief Scientific Advisors der Europäischen Kommission einen Bericht zum Thema «One Health» veröffentlicht. Das Dokument, das weitgehend auf dem unter der Co-Leitung von Prof. Jakob Zinsstag verfassten Evidence Review Report basiert, zeigt die Auswirkungen des Konzepts «One Health» auf eine Vielzahl von öffentlichen Politikbereichen auf und formuliert eine Reihe von Empfehlungen.
Science Advice Mechanism: One Health Governance in the European Union (2024)
CO2-Bilanz
Im Jahr 2021 hat die SAMW die Publikation eines europäischen Berichts unterstützt, der aufzeigt, wie stark der Gesundheitsbereich die CO2-Bilanz mit beeinflusst und wie diese verbessert werden könnte.
Decarbonisation of the Health Sector: A Commentary by EASAC and FEAM (20.04.2021)