Behinderungen können in ihrer Art und Ausprägung stark variieren: Physisch und/oder psychisch, Schweregrad, Dauer, Kontext etc. Die Bedeutung und Umstände für die medizinische Behandlung und Betreuung sind entsprechend vielfältig. In dieser Vielfalt bieten die Richtlinien der SAMW eine Orientierungshilfe.
Menschen mit Behinderung sind in mehrfacher Weise benachteiligt oder gar bedroht: durch bevormundende Einschränkung der selbstbestimmten Lebensführung, durch Vernachlässigung, durch gesellschaftliche Barrieren und durch aktive Ausgrenzung. Um dem entgegenzuwirken, sind die Anerkennung und Unterstützung des Rechts auf Selbstbestimmung und Eigenverantwortung unerlässliche Voraussetzungen. Dabei spielt auch die gute medizinische Behandlung und Betreuung eine wichtige Rolle; sie kann Menschen mit Behinderungen in ihrem Streben nach Selbstbestimmung und sozialer Teilhabe entscheidend unterstützen.
Den Anspruch aller Menschen mit Behinderung auf eine angemessene Behandlung und Betreuung gilt es grundsätzlich zu bekräftigen. Dabei kann die Behandlung in direktem Zusammenhang mit der Behinderung stehen: präventive, kurative, rehabilitative und palliative Massnahmen sollen die Auswirkungen der angeborenen oder erworbenen Behinderungen beseitigen oder vermindern. Die Behandlung und Betreuung können aber auch nur einen indirekten Einfluss haben, sich also auf eine Gesundheitsstörung beziehen, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang zur Behinderung steht. In jedem Fall gilt es aber, eine der besonderen Situation angepasste Vorgehensweise zu wählen, weil die Behinderung für den Verlauf der Krankheit oder mit Bezug auf diagnostische und therapeutische Möglichkeiten oft einen entscheidenden Faktor darstellt.
Die medizin-ethischen Richtlinien der SAMW zur Behandlung und Betreuung von Menschen mit Behinderung bieten Ärztinnen und Ärzten, Pflegenden und Therapeuten eine praxisbezogene Orientierungshilfe für den Umgang mit den betroffenen Menschen und ihren Angehörigen.
Der Schwerpunkt im SAMW Bulletin 1/2018 war dem Thema «Autonomie in der Medizin» gewidmet und enthält einen Artikel zum Projekt «Handicap HUG».
Fallbeispiel
Das folgende Anwendungsbeispiel erschien in der Zeitschrift Primary and Hospital Care in einer losen Serie, die den Inhalt ausgewählter Richtlinien vorstellt. Anhand praktischer Beispiele aus dem medizinischen Alltag werden die Leserinnen und Leser an die Themen herangeführt. Teil 5 dieser Serie ist der medizinischen Betreuung von Menschen mit Behinderung gewidmet.
Alle bisher veröffentlichten Fallbeispiele zu medizin-ethischen Richtlinien wie Demenz, Palliative Care oder Patientenverfügungen finden Sie hier.