In den letzten Jahrzehnten haben sich die Möglichkeiten der Lebenserhaltung mit technischen und medikamentösen Mitteln in hohem Masse weiterentwickelt. Entsprechend sind die Erwartungen an die Erfolgsaussichten auch bei äusserst komplexen medizinischen Behandlungen gewachsen. Weil intensivmedizinische Massnahmen sehr belastend sein können und mit vielen ethischen Fragen verbunden sind, hat die SAMW 2013 als Hilfestellung für Fachpersonen die medizin-ethischen Richtlinien «Intensivmedizinische Massnahmen» erarbeitet.
Intensivmedizinische Massnahmen sind nicht nur sehr belastend für Patientinnen und deren Angehörige, sie führen auch nicht in jedem Fall zur erhofften Wiederherstellung der Gesundheit. Deshalb ist die Frage zentral, in welchen klinischen Situationen mit einer Intensivbehandlung welche Ziele erreicht werden können. Um differenzierte Behandlungsziele zu definieren, darf nicht allein auf das Überleben abgestellt werden, sondern es müssen die Lebensqualität der intensivmedizinisch behandelten Personen, ihr Langzeitverlauf nach Entlassung aus Intensivstation und Spital sowie Kosten-Effektivitäts-Analysen beigezogen werden.
Neben medizinischen und sozialen Faktoren beeinflussen auch rechtliche Rahmenbedingungen und politische Vorgaben die Praxis der Intensivmedizin. Das im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht festgelegte Recht auf Selbstbestimmung spielt auch im Falle der Urteilsunfähigkeit für die Intensivmedizin eine entscheidende Rolle. Durch vertiefte Gesundheitliche Vorausplanung oder eine Patientenverfügung können Personen im Voraus festlegen, ob sie Interventionen unter bestimmten Voraussetzungen zustimmen oder ablehnen. Beispiele sind der Verzicht auf eine Reanimation oder eine Beatmung, die in der Regel einen (längeren) Aufenthalt auf der Intensivstation mit sich bringen würden.
Die Intensivmedizin befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen Ansprüchen von Patientinnen, Angehörigen und zuweisenden Ärzten, den ethischen Fragestellungen nach der Sinnhaftigkeit bestimmter Interventionen und den von Politikerinnen, Versicherern und Verwaltung vorgegebenen finanziellen Rahmenbedingungen. Zudem besteht ein erheblicher Personalmangel, der sich durch die Covid-Pandemie verschärfte. Wenn Fachpersonen aufgrund von Überlastung ausfallen oder den Beruf wechseln, verschlechtert dies die Situation für die Zurückbleibenden zusätzlich.
In diesem Spannungsfeld bedarf es klarer Grundlagen und Empfehlungen für den Einsatz intensivmedizinischer Massnahmen. Die Richtlinien bieten konkrete Hilfestellung an, um die Entscheidungsfindung im intensivmedizinischen Alltag im Einzelfall zu unterstützen.
Richtlinien: Intensivmedizinische Massnahmen (2013)
Ressourcenknappheit und Triage
Seit 2020 stellt das Coronavirus die Intensivstationen vor zusätzliche Herausforderungen. Die SAMW hat deshalb die Richtlinien von 2013 mit einem Anhang ergänzt. Dieses Dokument enthält Umsetzungshinweise zum Kapitel 9.3. «Ressourcenknappheit und Triage» der Richtlinien.
Das Dokument wurde mehrfach aktualisiert und fokussiert inzwischen weniger stark auf Covid-19-Erkrankte. Sie finden es zusammen mit weiterführenden Unterlagen auf der Seite Triage in der Intensivmedizin.